- Allgemeines
- Verfassungsrechtliche Grundlagen
_ Das (Bundes-)Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (VersG)
konkretisiert den Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG.
Art 8
(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.
Beachte: seit 1.9.2006 steht die Gesetzgebungskompetenz für das
Versammlungsrecht den Ländern zu. Solange sie jedoch kein eigenes
Versammlungsgesetz erlassen haben, gilt das Bundesgesetz fort.
Versammlungsbegriff
Der Begriff der Versammlung ist für den Grundrechtsschutz nach Art. 8 I
GG zentral.
Danach liegt eine Versammlung vor, wenn eine Mehrzahl natürlicher
Personen für kürzere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck zusammen
kommt. Fraglich ist allerdings zweierlei:
– Mindestzahl der Personen (zwei oder drei Personen)
– wie der gemeinsame Zweck inhaltlich zu bestimmen ist (Abgrenzung
zur Ansammlung):
_ BVerfG schränkt den Versammlungsbegriff insoweit ein, als eine
„der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls“ dienende
Veranstaltung keine Versammlung i.S.d. Art. 8 I GG sei (z.B.
Loveparade).
Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte legt einen Versammlungsbegriff
zugrunde, der an die Erörterung einer öffentlichen Angelegenheit
anknüpft.
Danach ist eine Versammlung „eine Mehrheit natürlicher Personen,
die an einem gemeinsamen Ort zusammen gekommen sind,
um unter Einwirkung auf die Öffentlichkeit gemeinsam in einer
öffentlichen Angelegenheit eine Diskussion zu führen oder/und
eine kollektive Aussage kundzutun“.
- Gemeinsame Grundsätze
- a) Erlaubnisfreiheit (Systematik des Gesetzes)
- b) Friedlichkeit (Waffentragungsverbot, § 2 III VersG)
- c) Uniformierungsverbot (§ 3 VersG)
Versammlung in geschlossenen Räumen
Eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen darf jederzeit,
an jedem Ort und ohne vorherige Anmeldung stattfinden. Sie kann lediglich
gemäß § 5 VersG verboten oder nach § 13 VersG aufgelöst werden.
- Allgemeine Anforderungen
- a) Bestimmung eines Leiters
Sie muss einen Leiter haben (§ 7 I VersG), der
– das Hausrecht ausübt (§ 7 IV VersG),
– den Ablauf der Veranstaltung bestimmt (§ 8 VersG),
– sich ehrenamtlicher Ordner bedienen darf (§ 9 VersG),
– Störer ausschließen darf (§ 11 VersG).
- b) Pflichten der Teilnehmer
Die Teilnehmer sind ihrerseits verpflichtet,
– den Anordnungen des Leiters oder der von ihm bestellten Ordner
zu folgen (§ 10 VersG).
– im Fall der Auflösung der Versammlung, sich sofort zu entfernen
(§ 13 II VersG).
– der Veranstalter kann in der Einladung bestimmte Personen oder
Personenkreise von der Teilnahme an der Versammlung ausschließen
(§ 6 I VersG). Dies gilt nicht für Pressevertreter (s.u.).
- c) Anwesenheitsrecht der Polizei
Die Polizei darf Beamte in eine öffentliche Versammlung entsenden (§ 12
- 1 VersG). Sie müssen sich aber dem Leiter zu erkennen geben (gilt
nicht für Beamte des Verfassungsschutzes). Ihnen ist ein angemessener
Platz einzuräumen (§ 12 S. 2 VersG).
- Verbot einer Versammlung in geschlossenen Räumen (§ 5 VersG)
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann gem. § 5 VersG nur
im Einzelfall und nur dann verboten werden (Ermessensentscheidung),
wenn
– der Veranstalter kein Versammlungsrecht hat (vgl. § 1 II VersG)
– Teilnehmern Zutritt gewährt wird, die Waffen oder sonstige verbotene
Gegenstände tragen,
– Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter
oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen
Verlauf der Versammlung anstreben,
– oder Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass strafbare
Ansichten vertreten oder Äußerungen geduldet werden.
- Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen
Für die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen ist die
Polizei zuständig (§ 13 I VersG). Sie kann (Ermessen) die Versammlung
gemäß § 13 I 1 VersG auflösen, wenn
– der Veranstalter kein Versammlungsrecht hat (vgl. § 1 II VersG),
– der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige verbotene Gegenstände
mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung
des Ausschlusses sorgt,
– die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf
nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer
besteht,
– durch den Verlauf gegen Strafgesetze verstoßen wird
– oder zu Straftaten aufgefordert wird und der Leiter der Versammlung
dies nicht unverzüglich unterbindet;
– Verhältnismäßigkeit ist zu beachten (z.B. Unterbrechung statt Auflösung)
III. Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge
- Allgemeines
- a) Anmeldung
– grds. Anmeldung (Ausnahme: Spontan- oder Eilversammlung)
– keine Genehmigung
- b) Ausnahmen vom Anwendungsbereich
Gemäß § 17 VersG gelten insbesondere die Vorschriften über die Anmeldung
sowie einschränkende Maßnahmen nicht für Gottesdienste unter
freiem Himmel, kirchliche Prozessionen, Bittgänge und Wallfahrten,
gewöhnliche Leichenbegängnisse, Züge von Hochzeitsgesellschaften
und hergebrachte Volksfeste.
- c) Entsprechende Anwendung der Vorschriften über Versammlungen in
geschlossenen Räumen
Soweit die §§ 14 bis 20 VersG nichts Abweichendes regeln, sind die
Vorschriften über Versammlungen in geschlossenen Räumen entsprechend
anwendbar (§ 18 VersG).
Dies gilt namentlich für die Bestimmung eines Leiters und die Verpflichtung
von Ordnungskräften.
- Die Versammlung beschränkende Maßnahmen
- a) Auflagen und Verbote
Die Behörde kann die Versammlung verbieten oder von Auflagen abhängig
machen, wenn
– nach den zur Zeit der Verfügung erkennbaren Umständen die
öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist (§ 15 I
VersG).
– es muss also eine hohe Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines
Schadens während der Versammlung/Aufzuges bestehen.
– aus Gründen der Verhältnismäßigkeit hat die Verhängung einer
Auflage Vorrang vor einem Verbot.
– Die Auflage ist ein selbständiger VA, da es mangels einer Erlaubnis
(s.o.) an einem HauptVA fehlt, welcher mit einer Nebenbestimmung
i.S.d. § 36 VwVfG versehen werden könnte.
– nur als ultima ratio kommt ein Verbot der Versammlung oder des
Aufzuges in Betracht.
- b) Auflösung
Eine Auflösung kann gem. § 15 II VersG erfolgen (Ermessensentscheidung):
– bei fehlender Anmeldung
– bei Abweichen von den Angaben in der Anmeldung
– bei Zuwiderhandlungen gegen Auflagen
– bei einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder
Ordnung (erst recht bei einer Störung).
Eine Versammlung ist aufzulösen (gebundene Entscheidung), wenn sie
verboten wurde (§ 15 III VersG).
- c) Waffen- und Vermummungsverbot (§ 17a VersG)
Gemäß § 17a VersG sind bei Versammlungen oder Aufzügen unter freiem
Himmel verboten:
– Waffen oder ähnliche Gegenstände (§ 17a I VersG). Dieses Verbot
sichert die Friedlichkeit der Versammlung.
– Kleidung oder andere Vorkehrungen, welche die Feststellung der
Identität der Teilnehmer verhindern können (sog. Vermummungsverbot,
- 17 a II VersG).
Zur Durchsetzung der Verbote kann die Behörde Anordnungen treffen
und insbesondere die Personen von der Versammlung oder dem Aufzug
ausschließen, die den Verboten zuwider handeln (§ 17a IV VersG).
Allerdings sind Ausnahmen vorgesehen (§ 17a III VersG): – Gesetzliche Ausnahme: Diese Verbote gelten nicht für Veranstaltungen
im Sinne des § 17 VersG (z.B. Schützen-Umzug oder religiös
motivierte Prozession, vgl. § 17a III 1 VersG).
– Behördliche Ausnahme: im Einzelfall, wenn eine Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zu besorgen ist (§ 17a III
2 VersG).
- d) Friedlichkeit (Waffentragungsverbot)
Gemäß § 2 III VersG ist das Tragen von Waffen auf Versammlungen
verboten. – Verstöße können das Verbot einer Versammlung oder ihre Auflösung
rechtfertigen (§§ 5, 13, 18 VersG).
– die Bestimmung wiederholt lediglich die Anforderungen, die das GG
an eine nach Art. 8 I GG geschützte Versammlung stellt (“…friedlich
und ohne Waffen…”).
- e) Uniformierungsverbot
_ Uniformen sind, wie bei Versammlungen in geschlossenen Räumen,
grundsätzlich verboten